Die Korrespondenz des Friedrich von Gentz mit dem Internuntius Franz Freiherr von Ottenfels-Gschwind in den Jahren 1822-1825

Zur Forschungslage

Christian Maiwald

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Friedrich von Gentz war ein bedeutender Politiker und Publizist der von Reinhart Koselleck als "Sattelzeit" beschriebenen Transformationsperiode zwischen 1750 und 1850. Nach einer längeren Phase des Desinteresses widmet sich auch die moderne Geschichtswissenschaft wieder seiner Person. Die Rolle von Gentz in den Wirren um die griechische Unabhängigkeit, die in den Quellen zumeist als 'Orientalische Angelegenheit' bezeichnet und von der Forschung in das größere Problemfeld der sogenannten 'Orientalischen Frage' eingeordnet werden, ist hingegen noch weitgehend unerforscht. Umso bemerkenswerter erscheint dieses Forschungsdesiderat, wenn man die Äußerungen des großen Orientgelehrten Joseph von Hammer-Purgstall berücksichtigt. Da Hammer sich bei der Ernennung eines neuen Internuntius im Jahre 1822 hintergangen fühlte, fielen seine Charakterisierungen der verantwortlichen Personen, namentlich Gentz, Metternich und Ottenfels, äußerst negativ aus. [1] Ungeachtet der Verbalinjurien, kam jedoch auch Hammer nicht umhin, in seinen "Erinnerungen" für das Jahr 1822 folgende Wertung abzugeben:

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"Da das an mir vom Fürsten [Metternich, CM] begangene Unrecht mir immer wieder von Neuem vors Auge trat, beschloss ich meine Gedanken hierüber in einem gemäßigten Brief in Worte zu kleiden, diesen aber nicht an den Fürsten, der meinen, wie natürlich unbeantwortet gelassen, sondern an sein Faktotum in politischen, besonders türkischen Geschäften, nämlich Gentz zu richten. Dieser fü[h]rte eigentlich die Feder des constantinopolitanischen Depeschenwechsels, von denen mein Kollege Hofrat Brenner, der dem Namen nach der orientalische Referent, meistens nicht die geringste Kenntnis hatte, indem sich dessen Tätigkeit nur auf die Schlichtung von Untertans-& Handelsgeschäften beschränkte, während Gentz die Seele orientalischer Politik, freilich eine Seele, wie das 'Seele' genannte Stück Holz in einem Balken […] sein wollte". [2] Hammer bezeugte hier widerwillig den hohen Stellenwert, den Gentz bei den österreichischen Verhandlungen mit dem Osmanischen Reich besaß – ein Indiz also für den erkenntnisfördernden Gewinn, den eine Beschäftigung mit diesem Thema verspricht.

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Was nun die Person des Franz Freiherr von Ottenfels-Gschwind betrifft, genügt an dieser Stelle eine kurze Lebensbeschreibung. [3] Seine Ausbildung erhielt der junge Ottenfels zuerst an der Theresianischen Militärakademie, die er bis 1793 besuchte. Im Anschluss wurde er an der 1754 in Wien gegründeten Orientalischen Akademie auf eine diplomatische Karriere im Auswärtigen Dienst vorbereitet. Genauso wie sein späterer Erzfeind Joseph Hammer diente er in der Folge als Sprachknabe und Dolmetscher der kaiserlichen Gesandtschaft in Konstantinopel. Eine abenteuerliche Geheimmission, die dem damaligen Hofsekretär bei der Staatskanzlei vom Fürsten Metternich persönlich aufgetragen wurde, führte Ottenfels während der Hunderttageherrschaft Napoleons nach Basel, um dort mit einem Vertrauten des französischen Polizeiministers Joseph Fouché konspirative Gespräche zu führen. Von dieser eher unbekannten Begebenheit zeugt eine briefliche Instruktion in "Metternichs nachgelassenen Papieren". [4] Tatsächlich hatte sich Ottenfels unter dem Pseudonym Henri Werner in ein Basler Hotel mit Namen "Zu den drei Königen" zu begeben, wo er den Agenten Fouchés anhand eines Erkennungszeichens ausmachen und ihm Informationen entlocken sollte. Da Napoleon vom Coup seines Polizeiministers Kenntnis erlangte und einen eigenen Geheimagenten nach Basel zu den Gesprächen entsandte, blieb die Episode eine spannende, aber unbedeutende Randnotiz der Hunderttage. [5] Ottenfels war nach Napoleons endgültigem Sturz an der Rückführung geraubter österreichischer Kunstschätze beteiligt, bevor er von 1822 bis 1832 als Internuntius, also als österreichischer Botschafter in Konstantinopel fungierte. Nach 1832 war er erneut in der Staatskanzlei tätig.

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Die Grundlagenforschung zu Ottenfels beschränkt sich auf einige wenige Einträge in einschlägigen Lexika und die Arbeiten des Historikers Josef Krauter aus dem frühen 20. Jahrhundert. Häufige Erwähnung findet Ottenfels neuerdings im monumentalen Werk des tschechischen Historikers Miroslav Šedivý. [6]

Anmerkungen

[1] Vgl. dazu Sibylle Wentker: Hammer-Purgstall als Homo Politicus im Spiegel seiner 'Erinnerungen aus meinem Leben', in: Marlene Kurz u.a. (Hg.): Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien, 22.-25. September 2004 (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ergänzungs-Bd. 48), Wien u.a. 2005, 515-524.

[2] Walter Höflechner / Alexandra Wagner (Hg.): Joseph von Hammer-Purgstall. Erinnerungen und Briefe (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 41), 3 Bde., Graz 2011, hier: Bd. 3, Teil 5, 1415f.; online unter: http://gams.uni-graz.at/context:hp <22.10.2015>.

[3] Vgl. dazu und im Folgenden Arthur C. Breycha-Vauthier: Art. "Ottenfels-Gschwind, Franz Frh. von", in: Österreichisches Biographisches Lexikon; 1815-1950, Bd. 7, Graz u.a. 1978, 269.

[4] Vgl. zu Ottenfels' Mission in Basel Richard Fürst von Metternich-Winneburg (Hg.): Aus Metternich's nachgelassenen Papieren, Bd. 1, Wien 1880, 212f. und 268f. Anm. 84; ferner ebd., Bd. 2, Wien 1880, 514ff.

[5] Vgl. zur Erläuterung der Baseler Gespräche Adolphe Thiers: Geschichte des Consulats und des Kaiserthums, Bd. 19, Leipzig 1861, 428-436.

[6] Vgl. z.B. Breycha-Vauthier: Ottenfels (wie Anm. 3); ferner Josef Krauter: Franz Freiherr von Ottenfels. Beiträge zur Politik Metternichs im griechischen Freiheitskampfe 1822-1832. Nach ungedruckten Quellen dargestellt, Salzburg 1913, sowie jetzt das famose Werk von Miroslav Šedivý: Metternich, the Great Powers and the Eastern Question, Pilsen 2013.

Empfohlene Zitierweise
Christian Maiwald, Die Korrespondenz des Friedrich von Gentz mit dem Internuntius Franz Freiherr von Ottenfels-Gschwind in den Jahren 1822-1825 (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00002/4), aus: Gudrun Gersmann, Friedrich Jaeger, Michael Rohrschneider (Hg.), Virtuosen der Öffentlichkeit? Friedrich von Gentz (1764-1832) im globalen intellektuellen Kontext seiner Zeit (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00002), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Zur Forschungslage (Datum des letzten Besuchs).