James Backhouse und George Washington Walker als Protagonisten der öffentlichen Debatte um die Reform des Strafvollzugs im kolonialen Australien
Die Debatte um die Strafreform
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Als John Franklin (1786-1847) am 5. Januar 1836 das Amt des Lieutenant-Governors von George Arthur übernahm, standen "transportation" und "assignment" noch stärker in der Kritik als in der Zeit seines Vorgängers. Im Zentrum der Auseinandersetzungen standen dabei zwei Fragen: Ist Deportation überhaupt eine angemessen harte Strafe? Welche Konsequenzen hat sie für die (moralisch-ethische) Entwicklung der Kolonien? Während die letztere vor allem von lokalen kolonialen Eliten mit Blick auf ihre Forderungen nach Selbstregierung diskutiert wurde, beschäftigte die erstere die politischen und evangelikalen Eliten des Mutterlandes.
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Backhouse und Walker hatten ihren Teil zu diesen Debatten beigetragen. Neben dem bereits erwähnten Bericht für die tasmanische Kolonialadministration formulierten die beiden Quäker zwei offene Briefe: die "Address to the Prisoner Population" und die "Christian Address to the Free Inhabitants" der Kolonien New South Wales und Van-Diemens-Land, welche im Dezember 1836 bzw. im Januar 1837 veröffentlicht wurden.
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Allerdings beschränkten sich Backhouse und Walker nicht auf eine kolonial-lokale Öffentlichkeit sondern griffen durch regelmäßige Kommunikation mit Organisationen, die der Gefängnisreform verbunden waren, sowie mit bedeutenden Mitgliedern evangelikaler Netzwerke aktiv in die philanthropischen Debatten im britischen Mutterland ein. Zum einen speisten sie Informationen über ihre Tätigkeiten in das informelle Briefnetzwerk ein, das humanitär engagierte "Friends" verband und, wie oben dargestellt, vor allem in Frauenhänden lag. Die überlieferten Briefverzeichnisse der beiden "ministers" dokumentieren, dass diese Aufgabe in erster Linie Walker zufiel. Seine langjährige Freundschaft mit der Familie Bragg / Priestman bildete die Grundlage hierzu. Er stand in regelmäßigem Austausch mit Margaret Bragg und Rachel Priestman. So berichtete er am 24. Mai 1834 über ihre Tätigkeit und ihren Bericht an Lieutenant-Governor Arthur: "At present we are preparing rather a lengthened Report on the State of Prison Discipline as it exists in the Colony, with some suggestions as to the means of remedying what at present be its imperfections".
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Der "Report upon the State of the Prisoners" selbst gelangte, zusammen mit anderen Berichten der beiden Quäker, auf diese Weise nicht nur auf den Schreibtisch des Lieutenant-Governors sondern auch in die Hände organisierter Gefängnisreformer/innen, die sich für die Verbesserung von Haftbedingungen im britischen Mutterland und die Abschaffung der "transportation" einsetzten. Die Schnittstellen und Kommunikationskanäle zwischen der "Society of Friends" und dieser – wie wir heute sagen würden – zivilgeschaftlichen Bewegung zur Reform des Strafvollzugs wird deutlich, wenn wir den Blick auf eine ihrer zentralen Organisationen richten, die 1816 gegründete "Society for the Improvement of Prison Discipline".
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Das Leitungsgremium der "Society for the Improvement of Prison Discipline" umfasste nicht nur bekannte evangelikale Reformer wie William Wilberforce, Edward Livingston oder den bereits genannten Thomas Fowell Buxton, sondern auch zahlreiche "Friends", die für ihr philanthropisches Engagement bekannt waren: Samuel Hoare, William Allen, Abram Rawlinson Barcley, Peter Bedford, Samuel Gurney sowie Edward und Robert Forster.
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Alexander Maconochie, der 1837 von der Society um einen unabhängigen Bericht des Status des Strafwesens in Van-Diemens-Land gebeten worden war, schloss mit seiner Kritik also an eine größere Debatte an, die von den Quäker "travelling ministers" aktiv mitgestaltet worden war, ungeachtet der Einwände ihres tasmanischen Glaubensbruders Francis Cotton. Sie unterstützten sogar aktiv Maconochies Reformvorschläge, stellten ihm Informationsmaterialien zur Verfügung und äußerten Verbesserungsvorschläge. So waren die beiden Quäker bereits vor der Übergabe des Berichts an Franklin am 20. Mai 1837 über Maconochies Position informiert, wie aus einem Brief vom 29. April 1837 hervorgeht. In diesem dankten Backhouse und Walker dem Captain für die Einsicht in seinen "manuscript Essay on the Transportation System, and its influence on the Penal Colonies" und brachten ihr vollstes Einverständnis mit seiner Kritik und seinen Plänen zum Ausdruck. Auch sie erachteten "the present system of Penal Discipline pursued in these Colonies inferior to that of the Jail System of England". In ihrem Bericht an Lieutenant-Governor Arthur hätten sie dies jedoch nur "insufficiently" vermitteln können. Maconochies Pläne entwarfen ihrer Einschätzung nach ein Strafsystem, welches sowohl dem metropolitanen als auch dem kolonialen deutlich überlegen sei.
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Doch nicht nur die Publikation von öffentlichen Briefen und die Interaktion mit Persönlichkeiten, die direkt im Strafwesen Tasmaniens oder der Debatte darum involviert waren, geben uns Auskunft über das Engagement Backhouse' und Walkers in den lokal-kolonialen und metropolitan-humanitären Öffentlichkeiten. Aus einer Materialsammlung, die Walker im August 1838 zusammenstellte, können wir ihr eigenes Verständnis von der Rolle, die sie in diesen Debatten spielten, unmittelbar ersehen: Ihr Ziel war es, einer Gruppe von humanitär interessierten Akteur/innen umfassende und korrekte Informationen zur Verfügung zu stellen. Besonders die genannte Materialsammlung war erstellt worden "to diffuse correct ideas both as regards the present state of Convict Discipline in the Colonies, and the principles which should from the basis of any changes that may be resorted to in the re-modelling of the system."
Anmerkungen
Empfohlene Zitierweise
Eva Bischoff, James Backhouse und George Washington Walker als Protagonisten der öffentlichen Debatte um die Reform des Strafvollzugs im kolonialen Australien? (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00002/6), aus: Gudrun Gersmann, Friedrich Jaeger, Michael Rohrschneider (Hg.), Virtuosen der Öffentlichkeit? Friedrich von Gentz (1764-1832) im globalen intellektuellen Kontext seiner Zeit (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00002), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Die Debatte um die Strafreform (Datum des letzten Besuchs).