Intellektuellenkommunikation als Forschungsfeld
Globalität und Transnationalität
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Die Aspekte der Globalität und der Transnationalität der Intellektuellenkommunikation bilden den dritten Aspekt der hier dargelegten Forschungsperspektive.
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Es geht um die Rekonstruktion der geistigen Traditionen und gegenwärtigen Akteursrollen von Intellektuellen vornehmlich in solchen Kulturen und Gesellschaften, in denen es sie nach westlichem Muster gar nicht gibt. Insbesondere ist zu untersuchen, welche Äquivalente dieser sozialen Figur existieren, welche Semantiken, Gesellschaftsvorstellungen sowie Formen von Reflexion und Kritik in den entsprechenden intellektuellen Milieus dominieren und innerhalb welcher Wissenschaftsdisziplinen, Kommunikationsmedien oder auch literarischer Gattungen sie sich zur Geltung bringen. Zu erbringen wäre dabei eine interkulturelle 'Übersetzung' des westlichen Intellektuellentypus, um den gegenwärtigen Diskussionen über die multiple Struktur von Entwicklungspfaden in diesem Punkt eine solide Forschungsbasis zu geben. Erst mithilfe einer derart komparativen Ausrichtung könnten die Formen der Wissenskommunikation und die ihnen entsprechenden intellektuellen Denkstile in ihrer kulturellen Pluralität erschlossen werden. Ein wichtiges Beispiel dafür wären etwa die vor einigen Jahren aufgetretenen Rebellionen im arabischen Raum, die sich daraufhin untersuchen lassen, welche intellektuellen Akteure und Gruppierungen sich an ihnen beteiligen; mithilfe welcher Kommunikationsmedien sie Einfluss auf das Geschehen genommen haben; und schließlich: welche Rolle die digitalen und sozialen Medien dabei gespielt haben.
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Historisch gesehen lässt sich bereits bei den Intellektuellen der Frühen Neuzeit eine Tendenz zur Internationalisierung von Kommunikation im Zeichen einer 'kosmopolitisch' ausgerichteten Gelehrtenrepublik ausmachen. Hierzu gehören die bereits erwähnte grenzüberschreitende Gelehrtenkorrespondenz der Humanisten oder die Tradition der akademischen Studien- und Gelehrtenreisen, der peregrinatio academica bzw. peregrinatio erudita. Auch die aufklärerische Idee des Weltbürgertums im Sinne Kants
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Derartige Prozesse einer Internationalisierung von Intellektuellenkommunikation besitzen freilich keine teleologische Struktur im Sinne einer stetig voranschreitenden kosmopolitischen Universalisierung. Vielmehr gilt es historisch gleichermaßen danach zu fragen, welche Dynamiken der medialen Erweiterung von Kommunikationsräumen und der Intensivierung interkultureller Austauschprozesse sich ausmachen lassen, aber auch danach, welche gegenläufigen Entwicklungen der Abschottung oder der Verengung historisch wirksam geworden sind. Es wäre also zum einen zu untersuchen, wie die Intellektuellen seit dem Humanismus und der Frühen Neuzeit interkulturell – und in gewisser Weise auch proto-global
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Damit sind einige Überlegungen und wissenschaftlichen Trends skizziert, die dem hier skizzierten Thema 'Intellektuellenkommunikation als Forschungsfeld' zugrunde liegen.
Anmerkungen
Empfohlene Zitierweise
Friedrich Jaeger, Intellektuellenkommunikation als Forschungsfeld (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00002/1), aus: Gudrun Gersmann, Friedrich Jaeger, Michael Rohrschneider (Hg.), Virtuosen der Öffentlichkeit? Friedrich von Gentz (1764-1832) im globalen intellektuellen Kontext seiner Zeit (DOI: https://dx.doi.org/10.18716/map/00002), in: mapublishing, 2016, Seitentitel: Globalität und Transnationalität (Datum des letzten Besuchs).